Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. Juni 2025 – Az. 9 AZR 104/24 klargestellt, dass Arbeitnehmer in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichten können. Ein erklärter Verzicht ist unwirksam mit der Folge, dass der Arbeitgeber den Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten muss.
Hierzu ist es wichtig, zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und den vertraglich gewährten Mehrurlaub zu unterscheiden. Ferner muss unterschieden werden, wann ein Verzicht erfolgt:
Das Bundesurlaubsgesetz legt den jährlichen Mindesturlaub ausgehend von einer 6-Tage-Woche auf 24 Tage fest. Bei einer 5-Tage-Woche ergibt sich ein Anspruch auf 20 Tage. Da es sich um einen gesetzlichen Mindestanspruch zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers handelt, ist ein Verzichtsmöglichkeit vom Gesetz nicht vorgesehen. Die Abgeltung in Geld ist die Ausnahme für den Fall, dass der Urlaub aus tatsächlichen Gründen aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann. In diesem Fall kann der Urlaub seine Erholungswirkung nicht mehr entfalten.
Diese gesetzlichen Regelungen sind unabdingbar und können beispielsweise auch nicht durch Tarifverträge – denen der Gesetzgeber sonst einen weiten Gestaltungsspielraum gewährt – eingeschränkt werden.
Ein Verzicht auf den vertraglich vereinbarten Mehrurlaub durch den Arbeitnehmer ist stets möglich. Auf den gesetzlichen Mindesturlaub kann aber erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzichtet werden. Möglich ist ein Verzicht des Arbeitnehmers auf den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, aber dies auch erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im zu entscheidenden Fall war der Arbeitnehmer während des Jahres 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und daher außerstande, seinen gesetzlichen und vertraglichen Urlaub zu nehmen. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten sodann noch während der laufenden Kündigungsfrist im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs, dass die dem Arbeitnehmer zustehenden gesetzlichen „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ worden seien. Die Höhe des noch bestehenden Urlaubsanspruchs stand nicht in Streit. Der Urlaub wurde tatsächlich nicht genommen.
Die anwaltliche Vertretung des Arbeitnehmers äußerte Bedenken an der rechtlichen Zulässigkeit dieser Regelung. Gleichwohl wurde der Vergleich unter ausdrücklichem Hinweis der Arbeitnehmerseite auf diese Bedenken geschlossen.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses klagte der Arbeitnehmer gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Abgeltung des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs.
Der Arbeitgeber verteidigte sich damit, dass der Arbeitnehmer wirksam auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichtet habe. Es sei ein sogenannter
Tatsachenvergleich geschlossen worden, sodass ein Verzicht möglich war. Zuletzt argumentierte er mit einem Verstoß des Arbeitnehmers gegen Treu und Glauben. Der Arbeitnehmer handele widersprüchlich, wenn er einerseits den Vergleich abschließe und nun andererseits klageweise Urlaubsabgeltung geltend mache.
Dieser Argumentation trat das BAG unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung entgegen:
Die Vereinbarung verstößt gegen § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach ein Rechtsgeschäft unwirksam ist, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Dieses Verbot findet sich in § 13 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz, wonach von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Der Arbeitnehmer kann nicht im Voraus während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichten. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers absehbar ist, dass er den Urlaub nicht mehr während des Arbeitsverhältnisses wird nehmen können.
Eine Ersetzung des Urlaubsanspruchs durch einen Geldanspruch kommt erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht.
Dem Arbeitgeber half auch der Verweis auf einen Tatsachenvergleich nicht weiter. Ein Tatsachenvergleich liegt nur dann vor, wenn eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben beider Parteien ausgeräumt wird. Vorliegend war zwischen den Parteien aber klar, wie hoch der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ist. Damit bestand keine Unsicherheit, die hätte ausgeräumt werden können.
Auf Treu und Glauben kann sich der Arbeitgeber ebenfalls nicht berufen. Nach Auffassung des BAG durfte er nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.
Im Ergebnis war durch den Arbeitgeber der Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub abzugelten.
Arbeitnehmern ist dringend zu empfehlen, etwaige Verzichtsklauseln durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen. Hier lassen sich unter Umständen auch noch nach einiger Zeit Abgeltungsansprüche realisieren.