Kündigung

Entgeltfortzahlung: AU-Bescheinigung reicht zuweilen nicht aus

12.08.2025 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Das Verhalten des Arbeitnehmers lässt auf fehlenden Leistungswillen schließen.

Mit Urteil vom 03.06.2025 – 7 SLa 54/25 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln darüber zu entscheiden, ob die durch einen befristet angestellten Omnibusfahrer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichten.

Hintergrund ist, dass Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz für die Dauer von 6 Wochen eine Entgeltfortzahlung durch ihren Arbeitgeber erhalten, wenn sie aufgrund derselben Erkrankung arbeitsunfähig sind und sie kein Verschulden trifft.

Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung von dem sonst geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ abweicht, muss der Arbeitnehmer die Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung darlegen und beweisen.

Dieser Beweis wird mit der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als dem gesetzlich vorgesehenen Beweismittel geführt. Dieser kommt grundsätzlich ein hoher Beweiswert zu.

Den Arbeitnehmer trifft eine doppelte Pflicht:

  1. Zunächst muss er seinem Arbeitgeber unverzüglich anzeigen, dass er arbeitsunfähig ist und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitteilen.
  2. Im Fall einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag, auf Verlangen des Arbeitgebers oder bei einer Dauer von mehr als drei Kalendertagen muss sich der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie der voraussichtlichen Dauer ausstellen lassen. Die Pflicht zur Vorlage bei dem Arbeitgeber wird bei gesetzlich Versicherten dadurch erfüllt, dass der Arbeitgeber die Bescheinigung bei den gesetzlichen Krankenkassen elektronisch abruft.

Insoweit genügt es also, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nach Ziffer 1 gegenüber seinem Arbeitgeber nachkommt und im Fall der Verpflichtung zu Ziffer 2 seinen Arzt aufsucht und sich dort untersuchen lässt. Der Arzt wird dann alles Weitere veranlassen.

Hat der Arbeitnehmer diese Pflichten erfüllt und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten, ist der Arbeitgeber zunächst zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Zahlt der Arbeitgeber nicht, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine Klage auf Entgeltfortzahlung erheben.

Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers oder ist er der Auffassung, dass den Arbeitnehmer ein Verschulden trifft, so kann er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Hierzu muss er nach der Rechtsprechung Tatsachen vortragen, die im Rahmen einer Gesamtschau den Schluss darauf zulassen, dass keine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorlag. Ausreichend ist auch, wenn der Arbeitnehmer selbst Tatsachen vorträgt, die in ihrer Gesamtschau oder in Verbindung mit dem Vortrag des Arbeitgebers den Schluss zulassen, dass keine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorlag.

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist beispielsweise erschüttert, wenn der Zeitraum der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und die Kündigungsfrist deckungsgleich sind oder wenn der Arbeitnehmer in Erwartung einer Kündigung seine Arbeitsausrüstung zurückgibt und sich krankmeldet. In diesem Fall fehlt es am Leistungswillen des Arbeitnehmers.

Ist der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, muss der Arbeitnehmer nach herrschender Rechtsprechung konkrete Tatsachen darlegen und im Bestreitensfall beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen. Hierzu muss beispielsweise dazu vorgetragen werden, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ärztlich verordnet wurden.

So verhielt es sich in dem Fall, den das LAG Köln zu entscheiden hatte: Der Kläger war als Omnibusfahrer in einem befristeten Arbeitsverhältnis vom 01.09.2022 – 31.08.2024 bei der Beklagten angestellt.

Als dem Kläger mitgeteilt wurde, dass er ab dem 16.10.2023 eine neue Route befahren sollte, teilte er seinem Arbeitgeber nachdrücklich mit, dass er darüber nicht begeistert sei.

Im Ergebnis lehnte es der Kläger ab, diese neue Route zu befahren.

Der Kläger ging aufgrund eines von ihm behaupteten Hinweises seines Arbeitgebers davon aus, dass man ihm kündigen werde und gab am 16.10.2023 seine Arbeitsausrüstung an die Beklagte zurück. Am selben Tag meldete er sich krank. Der Kläger war danach mit kurzen Unterbrechungen bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses krankgeschrieben und bezog ab dem 27.11.2023 Krankengeld.

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung und begründete dies damit, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei.

Die zum Arbeitsgericht Aachen erhobene Zahlungsklage des Klägers blieb weitestgehend erfolglos. Der Kläger erhob daraufhin Berufung zum LAG Köln, welches das arbeitsgerichtliche Urteil bestätigte.

Das Zusammenfallen von subjektiv erwarteter Kündigung, Rückgabe der Arbeitsmittel und Krankmeldung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses genügten dem LAG Köln zur Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Zum einen seien das exakte zeitlichen Zusammenfallen des Beginns der Arbeitsunfähigkeit mit der Rückgabe der Ausrüstung in subjektiver Erwartung der Kündigung ausreichend, um den Beweiswert zu erschüttern.

Gleiches gelte zum anderen für den Fall, dass der Kläger seine Arbeitsausrüstung ohne Grund an die Beklagte zurückgegeben und sich daraufhin krankgemeldet hat. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setze voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei. Liege die Ursache aber tatsächlich darin, dass der Arbeitnehmer nicht leistungswillig sei, bestehe kein Entgeltfortzahlungsanspruch.

Indem der Kläger seine Arbeitsausrüstung ohne Grund zurückgab, habe er nach außen kundgetan, dass er nicht mehr arbeiten wolle. Dies stelle gemeinsam mit der Kundgabe, die neue Route nicht fahren zu wollen, ein gewichtiges Indiz für den fehlenden Leistungswillen dar.

Da der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen konnte, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war, hatte er mit seiner Entgeltfortzahlungsklage keinen Erfolg.

Es bleibt festzuhalten, dass Arbeitnehmer bei Krankschreibungen, die deckungsgleich mit der Kündigungsfrist sind, ein erhebliches Risiko sich nehmen. Gleiches gilt für den Fall, dass sich aus Äußerungen oder dem Verhalten des Arbeitnehmers auf fehlenden Leistungswillen schließen lässt. Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen die Entgeltfortzahlung verweigern.

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