Kündigung

Update: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

22.11.2023 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers im Krankheitsfall.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 28.06.2023 (Aktenzeichen 5 AZR 335/22) erneut zur Frage des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Stellung genommen.

Ausgangspunkt dieser rechtlichen Problematik ist regelmäßig der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers im Krankheitsfall. Macht der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung geltend, muss er seine Arbeitsunfähigkeit beweisen. Grundsätzlich reicht als Beweis die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Nur wenn der Beweiswert der Bescheinigung erschüttert ist, muss der Arbeitnehmer weitergehend die jeweilige Erkrankung vortragen und gegebenenfalls durch Zeugnis des Arztes unter Beweis stellen. Diese sogenannte Erschütterung des Beweiswerts wird von den Arbeitsgerichten insbesondere dann angenommen, wenn der Arbeitgeber sachlich begründete Zweifel haben darf, etwa, weil der Arbeitnehmer die Krankheit nach einem Streit ankündigte, oder wenn die Krankheitszeiten auffällig oft nach oder vor den Urlaub des Arbeitnehmers fallen.

Der nun entschiedene Fall behandelt die Frage, ob diese Zweifel auch dann gerechtfertigt sind, der Beweiswert der Bescheinigung also erschüttert ist, wenn der ausstellende Arzt gegen die Richtlinie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (AU-Richtlinie) verstoßen hat. Nach der Richtlinie soll sich ein Arzt bei der Attestierung von Arbeitsunfähigkeit an bestimmte Regeln halten, sie die sowohl Form als auch Inhalt betreffen.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass zwar grundsätzlich rein formelle Fehler in der Bescheinigung nicht ausreichen, um relevante Zweifel an der Bescheinigung zu begründen. Verstößt der Arzt hingegen gegen Regelungen, die die medizinischen Erkenntnisse zur Feststellbarkeit der Arbeitsunfähigkeit betreffen, so kann dies durchaus die Bescheinigung entkräften. Dies betrifft etwa die Regeln, wonach ein Arzt den Patienten vor der Bescheinigung untersuchen soll, die Bescheinigung grundsätzlich nicht rückwirkend ausstellen soll oder Arbeitsunfähigkeit regelmäßig nicht für mehr als 2 Wochen im Voraus bescheinigen soll.

Liegt ein Verstoß in diesem Bereich vor, so dürften in Zukunft derartige Zweifel an der Bescheinigung gerechtfertigt sein, dass der Arbeitnehmer sich im Zweifelsfall nicht mehr auf die bloße Bescheinigung berufen kann, sondern im einzelnen darlegen (und gegebenenfalls beweisen) muss, weshalb er an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert war.

Noch Fragen? Wir informieren Sie gerne telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch: Tel.: 0541 - 999 7 444