Kündigung

Fragenkatalog zur Vorbereitung einer Kündigung ist zulässig

24.09.2025 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Befragung der Mitarbeitenden ist ein zulässiges Verhalten des Arbeitgebers.

Regelmäßig bereiten Arbeitgeber die Kündigung eines Arbeitnehmers sehr umfassend vor, um dem Arbeitnehmer möglichst wenig Angriffspunkte zu bieten. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes die Kündigung zu begründen. Hierfür muss er entsprechende Gründe für eine verhaltensbedingte, personenbedingte oder betriebsbedingte Kündigung darlegen.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte in seinem Urteil vom 15.01.2025 – 2 SLa 31/24 in diesem Zusammenhang über einen eher ungewöhnlichen Fall zu entscheiden.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Arbeitnehmer war seit mehreren Jahrzehnten bei dem Arbeitgeber als Schichtführer in einer Vorgesetztenposition beschäftigt. Bei dem Arbeitgeber ist es üblich, dass Mitarbeitern nicht mehr benötigte Materialien des Arbeitgebers zur persönlichen Verwendung mitnehmen dürfen. Dies muss auf einem sogenannten Freigabeschein durch eine autorisierte Person genehmigt werden. Auf dem Freigabeschein ist einzutragen, welcher Mitarbeiter die Materialien erhält, welche Position er bekleidet und welche Gegenstände und wie viele Gegenstände er mitnehmen darf.

Der Arbeitnehmer erhielt durch Vermittlung eines Kollegen einen sogenannten Blanko-Freigabeschein. Dieser war bereits auf den Arbeitnehmer ausgestellt und von einer autorisierten Person, nämlich dem Produktionsleiter, unterschrieben. Er enthielt aber noch nicht die mitzunehmenden Gegenstände und ihre Anzahl. Der Arbeitnehmer beabsichtigte Kanthölzer mitzunehmen. Zu diesen Zweck trug er in das Formular „Kanthölzer aus Holzcontainer“ ein, ohne die Anzahl anzugeben. Die Kanthölzer wurden sodann durch den Kollegen des Arbeitnehmers für diesen verladen. Einige Tage später erhielt der Betriebsrat Kenntnis von diesem Vorgang und zeigte dies dem Produktionsleiter an.

Daraufhin wurden der betroffene Arbeitnehmer und sein Kollege durch den Arbeitgeber und den Betriebsratsvorsitzenden befragt. Der Arbeitnehmer gab hier an, er habe lediglich vergessen, die Anzahl der Kanthölzer auf dem Freigabeschreiben anzugeben.

Der ebenfalls befragte Produktionsleiter teilte mit, dass er dem Arbeitnehmer bereits einige Jahre zuvor erklärt habe, dass Kanthölzer nicht herausgegeben und mitgenommen werden könnten. Dies habe er dem Arbeitnehmer auf erneute Anfrage ca. 1 – 2 Monate vor dem Vorfall erneut mitgeteilt.

Dem Arbeitgeber gelangte weiter zur Kenntnis, dass der Arbeitnehmer mehrere Kollegen durch Druck dazu bewegt habe, während der Arbeitszeit aus Eigentum des Arbeitgebers Gegenstände für ihn zu bauen. Als sich ein Kollege geweigert habe, sei er durch den ihm vorgesetzten Arbeitnehmer grundlos an einen anderen Arbeitsplatz versetzt worden.

Aufgrund dieser Verdachtsmomente erschloss sich der Arbeitgeber, sämtliche Mitarbeiterinnen Mitarbeiter zu befragen. Zu diesem Zweck erstellte er einen Fragenkatalog mit insgesamt 150 Fragen, u. a. bezogen auf die Wahrnehmung und das Wissen der befragten Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer bezogen auf Handlungen anderer Mitarbeiter des Arbeitgebers und insbesondere auf den hier betroffenen Arbeitnehmer. Der Fragenkatalog wurden sodann nach Information des Betriebsrates den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs vorgelegt und die Fragen besprochen.

Nach anschließender Anhörung des Betriebsrates kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich.

Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Braunschweig. Er machte vor allem geltend, dass die Befragung aller seiner Kolleginnen und Kollegen mit dem vorformulierten Fragenkatalog gegen § 26 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz verstoßen habe und der Arbeitgeber daher die Ergebnisse dieser Befragung nicht für die Kündigung habe heranziehen dürfen. Auch werde er durch den Fragenkatalog regelrecht an den Pranger gestellt und sein öffentlicher Ruf durch Rufmord beschädigt.

§ 26 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz regelt die Voraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten im Beschäftigungsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für wirksam und wies die Klage ab.

Daraufhin wandte sich der Kläger mit der Berufung an das Landesarbeitsgericht.

Dieses bestätigte die Kündigung ebenfalls, da der Kläger seine Vorgesetztenstellung ausgenutzt habe und dieses Verhalten dazu geeignet sei, das Vertrauen in seine Integrität zu erschüttern.

Das Landesarbeitsgericht ging Ergebnis davon aus, dass die Voraussetzungen für die Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz vorlagen.

Denn die Befragung hatte den Zweck, den bereits bestehenden Verdacht zu erhärten und aufzuklären, ob die durch andere Arbeitnehmer behaupteten Pflichtverstöße des Klägers zutreffend seien und ob an den Pflichtverstößen noch weitere Mitarbeiter beteiligt waren.

Hierzu sei es notwendig, den Kläger namentlich zu benennen, damit die Vorwürfe geprüft werden können. Ein Rufmord sei damit allerdings noch nicht verbunden. Vielmehr handele es sich um ein zulässiges Verhalten des Arbeitgebers. Dieser müsse aufgrund der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzverfahren die Vorwürfe bestmöglich dokumentieren und belegen können. Der Arbeitgeber nutze die erlangten Informationen lediglich zur zulässigen Durchsetzung seiner rechtlich geschützten Belange.

Das Landesarbeitsgericht betonte insbesondere, dass Datenschutz kein Tatenschutz sei.

Arbeitnehmer können sich damit nicht auf Datenschutz zur Verschleierung etwaigen Fehlverhaltens berufen. Insbesondere ist es dem Arbeitgeber im Einzelfall nicht verwehrt, auch umfassende Ermittlungen unter Beteilung der Belegschaft durchzuführen.

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