Wie den meisten Arbeitnehmern bekannt sein sollte, enthalten Arbeitsverträge in der Regel eine Vielzahl von Klauseln. Neben den unmittelbaren arbeitsvertraglichen Regelungen können auf Arbeitsverhältnisse auch Regelungen aus Tarifverträgen anwendbar sein.
Arbeitsverhältnisse unterliegen tarifvertraglichen Bestimmungen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
Das Bundesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 02.07.2025 – 10 AZR 162/24 über einen solchen Fall nach Ziffer 3 zu entscheiden.
Hierzu muss man noch wissen, dass Tarifverträge im Arbeitsrecht eine besondere Rolle spielen und vom Gesetzgeber privilegiert sind. Normalerweise unterliegen Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher – hierzu zählen auch Arbeitsverträge – einer sogenannten AGB-Kontrolle. Hierbei überprüfen die Arbeitsgerichte, ob die in dem Vertrag verwendeten Klauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Ist dies der Fall, findet die Klausel keine Anwendung. Das Gesetz sieht hier bestimmte Fallgruppen vor, bei denen eine Benachteiligung anzunehmen ist. Auch wird den Gerichten ein gewisser Bewertungsspielraum eingeräumt.
Normalerweise unterliegen Tarifverträgen nicht dieser Klauselkontrolle. Bei ihnen wird gesetzlich vermutet, dass sie angemessen sind, da sie zwischen gleichrangigen Tarifparteien ausgehandelt wurden.
Nimmt ein Arbeitgeber also in einem Arbeitsvertrag Bezug auf einen Tarifvertrag, unterliegt der Arbeitsvertrag nicht der Klauselkontrolle, soweit er auf dem Tarifvertrag verweist. Dies gilt nach der Rechtsprechung aber nur dann, wenn es sich um eine sogenannte Globalverweisung handelt. Dies bedeutet, dass der Arbeitsvertrag auf den gesamten Tarifvertrag verweisen muss. Verweist er nur auf einzelne Klauseln, sind diese so zu behandeln, als wären sie Teil des Arbeitsvertrages und nicht Teil eines Tarifvertrages. Damit unterliegen sie einer Kontrolle durch die Arbeitsgerichte.
In dem konkreten Fall des Bundesarbeitsgerichts hatte der Arbeitgeber zunächst insgesamt auf einen Tarifvertrag verwiesen, im Folgenden aber auf bestimmte Regelungen aus dem Tarifvertrag Bezug genommen. Konkret ging es um eine Regelung, die die Rückzahlung einer Jahressonderzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers regelt.
Die konkrete Klausel sah vor, dass der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der mit der Novemberabrechnung ausgezahlten Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) verpflichtet ist, wenn er aufgrund eigener Kündigung bis zum 31.03. des Folgejahres ausscheidet. Die konkrete Höhe der Jahressonderzahlung hängt davon ab, in wie vielen Monaten des Auszahlungsjahres der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeitsentgelt bezogen hat. Unberücksichtigt bleiben Monate mit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt.
Der Arbeitnehmer erhielt in 2021 zunächst die Jahressonderzahlung, kündigte das Arbeitsverhältnis dann aber zum 31.03.2022. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die Jahressonderzahlung zurück und nahm in den Monaten Januar bis März 2022 jeweils eine Verrechnung von einem Drittel der Jahressonderzahlung bei der Lohnzahlung vor.
Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Zahlungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht. Dieses wies die Klage ab, worauf hin sich der Arbeitnehmer an das Landesarbeitsgericht wandte, das der Klage stattgab. Die von dem Arbeitgeber erhobene Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zurückgewiesen, sodass es bei der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts blieb.
Das Bundesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Rückzahlungsklausel aufgrund unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam ist.
Zu diesem Ergebnis konnte das Bundesarbeitsgericht nur gelangen, indem es die Rückzahlungsklausel der Klauselkontrolle unterwarf. Dies war möglich, weil der Arbeitgeber nicht insgesamt auf den Tarifvertrag verwiesen hatte. Vielmehr hatte er auf die Rückzahlungsklausel besonders Bezug genommen. Damit lag die von der Rechtsprechung geforderte globale Verweisung nicht mehr vor, die eine Klauselkontrolle ausschließt.
Jahressonderzahlungen sollen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zwei Zwecke verfolgen:
Zum einen soll bereits erbrachte Betriebstreue honoriert und ein Anreiz für künftige Betriebstreue gesetzt werden. Zum anderen handele es sich bei einer Jahressonderzahlung um eine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung, wenn die Höhe der Jahressonderzahlung davon abhängig sei, in welchen Monaten der Arbeitnehmer tatsächlich ein Arbeitsentgelt bezogen habe. Das Bundesarbeitsgericht sah auch keinen Widerspruch darin, dass eine Klausel beide Zwecke verfolgen kann.
Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers hat das Bundesarbeitsgericht sodann aus dem Widerspruch der Rückzahlungspflicht zu dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 611a Abs. 2 BGB geschlossen. § 611a Abs. 2 BGB sieht vor, dass die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber vergütet werden muss. Die Vergütung sei nicht davon abhängig, ob sich der Arbeitnehmer betriebstreu verhalte. Der Arbeitnehmer müsse die Möglichkeit haben, sein Arbeitsverhältnis zu kündigen, ohne hierfür sanktioniert zu werden. Indem der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag eine Rückzahlungsklausel für den Fall der Eigenkündigung bis zum 31.03. vereinbare, greife er in nicht zu rechtfertigender Weise in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers ein. Der Arbeitnehmer werde hierdurch in der Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig beeinträchtigt. Es sei auch kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ersichtlich, dem Arbeitnehmer Lohn für bereits geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können.
Daneben betont das Bundesarbeitsgericht, dass eine vergleichbare Klausel im Rahmen des Tarifvertrages durchaus zulässig sein kann. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Klausel dann aber in ein Gesamtregelwerk
eingebunden ist. Arbeitnehmern ist damit dringend zu raten, im Fall der Eigenkündigung ihren Arbeitsvertrag darauf überprüfen zu lassen, ob auf eine tarifvertragliche Rückzahlungsklausel Bezug genommen wird oder der Vertrag selbst eine solche Klausel enthält.