Kündigung

Innerbetrieblicher Schadensausgleich

12.11.2025 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz reduzieren Verschulden des Arbeitnehmers.

Wie den meisten Arbeitnehmern und Arbeitgebern bekannt sein dürfte, legt das Arbeitszeitgesetz eine tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden als Regelfall fest. In begründeten Ausnahmefällen darf die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden erhöht werden. Verstöße gegen diese Regelungen durch den Arbeitgeber können zu empfindlichen Bußgeldern führen. Es können sich für den Arbeitgeber aber auch andere Nachteile ergeben.

Während der Arbeitszeit kann es durch Fehlverhalten von Arbeitnehmern zu schwerwiegenden Arbeitsunfällen kommen. Diese sind umso wahrscheinlicher, je übermüdeter der Arbeitnehmer ist. Da Arbeitsunfälle für den Arbeitgeber regelmäßig mit erheblichen Kosten verbunden sind, versuchen nicht wenige Arbeitgeber, sich zumindest einen Teil des Schadens von dem Arbeitnehmer zurückzuholen, der den Arbeitsunfall verursacht hat.

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass auf Arbeitsverhältnisse die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zur Anwendung kommen. Diese dienen vor allem dazu, die Haftung des finanziell schwächer gestellten Arbeitnehmers zu reduzieren. Maßgeblich für die Haftung ist danach der Grad des den Arbeitnehmer treffenden Verschuldens. Es wird unterschieden zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz. Der Arbeitnehmer haftet erst ab mittlerer Fahrlässigkeit und dann auch nur zum Teil. Der Schaden wird dann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gequotelt.

Die Quotelung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Berücksichtigt werden die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, die Höhe des eingetretenen Schadens, die Versicherbarkeit des Risikos, die Stellung und Erfahrung des Arbeitnehmers, die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie die betriebliche Organisation und Einweisung durch den Arbeitgeber.

Daneben sind auch persönliche Faktoren zu berücksichtigen, wie die Dauer der Tätigkeit oder das Alter des Arbeitnehmers.

Die Kombination aus hohem Lebensalter und deutlicher Überschreitung der erlaubten Arbeitszeit kann das Risiko eines Arbeitsunfalls erheblich erhöhen und zugleich die Haftung des Arbeitnehmers einschränken.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 04.04.2025 – Az. 14 SLa 729/24 über einen solchen Fall entschieden: Der zum Unfallzeitpunkt 66 Jahre alte Arbeitnehmer wurde seit 5 Jahren als Kraftfahrer eingesetzt, ohne dass es zu Schäden am Eigentum des Arbeitgebers gekommen war. Der Vertrag sah eine Bruttovergütung von 2.150,00 € vor und enthielt eine dreimonatige Ausschlussklausel für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Am Unfalltag war der Arbeitnehmer bereits seit 01:30 Uhr im Einsatz, als es gegen 12:50 Uhr nach ca. 11,5 Arbeitsstunden zu einem Arbeitsunfall kam. Der Arbeitnehmer wollte auf dem Betriebshof seines Arbeitgebers die von ihm geführte Zugmaschine mit einem Auflieger zu einem Gespann zu verbinden. Hierzu muss die Zugmaschine nach dem Verbindungsvorgang durch Betätigung der Handbremse gegen Wegrollen gesichert werden, um dann die Anschlüsse zu verbinden.

Der Arbeitnehmer vergaß, das Gespann gegen Wegrollen zu sichern. Als er die Bremse des Aufliegers löste, um die Bremsschläuche mit der Zugmaschine zu verbinden, setzte sich das Gespann rückwärts rollend in Bewegung. Hierbei stieß das Gespann gegen den Pkw des Geschäftsführers und verursachte an dem Pkw und der Zugmaschine einen Schaden von fast 40.000,00 €.

Der Versicherungsvertrag des Pkw sah eine Selbstbeteiligung von 300,00 €, derjenige der Zugmaschine von 5.000,00 € vor. An dem Pkw entstand eine unfallbedingte Wertminderung in Höhe von 2.500,00 €.

Nach dem Unfall brach der Arbeitnehmer zusammen und musste wegen des Verdachts auf einen Schlaganfall in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer wegen des Vorfalls ab und machte sodann klageweise Schadensersatzansprüche vor dem Arbeitsgericht Hildesheim geltend. Das Arbeitsgericht Hildesheim verurteilte den Arbeitnehmer zur Zahlung der Selbstbeteiligungen in Höhe von insgesamt 5.300,00 €. Der Arbeitgeber erhob Berufung mit dem Ziel, auch eine Verurteilung des Arbeitnehmers zur Zahlung der 2.500,00 € wegen der Wertminderung zu erreichen. Der Arbeitnehmer erhob eine Anschlussberufung mit dem Ziel, die Klage vollständig abweisen zu lassen.

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Arbeitgeber nur einen Anspruch auf Zahlung von 500,00 € hat. Es gab damit der Berufung des Arbeitgebers teilweise und der Anschlussberufung des Arbeitnehmers in vollem Umfang statt.

Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass dem Arbeitnehmer nur ein Vorwurf mittlerer Fahrlässigkeit gemacht werden könne. Bei der Bewertung des Pflichtverstoßes des Arbeitnehmers sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt bereits 66 Jahre alt war und seit 11,5 Stunden ununterbrochen seit den Nachtstunden gearbeitet habe. Der Arbeitgeber habe sich nicht dazu erklärt, ob dies mit dem Arbeitszeitgesetz in Einklang stehe. Es sei nicht verwunderlich, dass bei einer so langen Arbeitsbelastung und dem weit fortgeschrittenen Lebensalter des Arbeitnehmers ausnahmsweise folgenschwere Fehler geschehen können, die unter einer normalen Belastung nicht aufgetreten wären. Hierfür spreche, dass der Arbeitnehmer seit 5 Jahren beanstandungsfrei für den Arbeitnehmer tätig gewesen und es hierbei nicht zu schuldhaft verursachten Schäden an Eigentum des Arbeitgebers gekommen ist. Für eine schlechte körperliche Verfassung des Arbeitnehmers am Unfalltag spreche auch, dass er nach dem Unfall infolge eines Zusammenbruchs kurzfristig in ein Krankenhaus verbracht werden musste.

Aufgrund der angenommenen mittleren Fahrlässigkeit hat das Landesarbeitsgericht eine Quote gebildet, wobei es ein Verhältnis von 1:5 für angemessen hielt. Hierbei berücksichtigte es die große Gefahrgeneigtheit der durch den Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit und in besonderem Maße das rücksichtslose Verhalten des Arbeitgebers, der den Arbeitnehmer für 11,5 Stunden ununterbrochen eingesetzt hatte. Hinzu kam, dass der Arbeitnehmer eine vergleichsweise niedrige Bruttovergütung erhielt und in den vorangegangenen Jahren seiner Beschäftigung keine Schäden an den Betriebsmitteln des Arbeitgebers verursacht hatte. Daher musste der Arbeitnehmer nur 500,00 € der entstandenen Wertminderung des Pkw des Geschäftsführers in Höhe von 2.500,00 € begleichen.

Im Übrigen gab das Landesarbeitsgericht der Anschlussberufung des Arbeitnehmers mit der Begründung statt, dass der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist nicht eingehalten hatte. Somit konnte der Arbeitgeber die Ansprüche nicht mehr geltend machen.

Es bleibt festzuhalten, dass Arbeitgeber tunlichst darauf achten sollten, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. Sind Arbeitnehmer über die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten hinaus tätig, steigt das Risiko für Fehler und das Haftungsrisiko des Arbeitgebers.

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