Kündigung

Dienstreise mit Bahn als Arbeitszeit?

01.08.2023 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Der Grad der Beanspruchung während der Reise zählt

Nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Reisezeit per Bahn im Rahmen einer Dienstreise keine Arbeitszeit dar. Das BAG wendet hierbei die sog. Beanspruchungstheorie an: Bei der Einordnung von Reisezeit als Arbeitszeit komme es entscheidend auf den Grad der Beanspruchung des Arbeitsnehmers an. Reisezeiten sind folglich dann Arbeitszeiten, wenn die Beanspruchung während der Reise derjenigen bei der Ausführung der herkömmlichen Arbeit entspricht. Daher liege grundsätzlich Arbeitszeit vor, wenn im Rahmen der Reise ein Fahrzeug selbst gelenkt werde. Bei einer Bahnfahrt hingegen bestehe keine solche Beanspruchung, sodass nur ein unerhebliches „Freizeitopfer“ vorliege.

Dieser Rechtsprechung hat sich nunmehr das Verwaltungsgericht Lüneburg entgegengestellt, Urteil vom 02.05.2023, Az. 3 A 146/22. Geklagt hatte eine Spedition, die von der Gewerbeaufsicht dazu aufgefordert worden war, die zulässigen Höchstarbeitszeiten für die Mitarbeiter einzuhalten. Die Spedition beschäftigte unter anderem Mitarbeiter, die für die Überführung von Fahrzeugen zuständig waren. Dafür fuhren diese mit dem Taxi und der Bahn zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs und brachten es anschließend zum Zielort. Von dort fuhren sie sodann mit der Bahn zurück zu ihrem Wohnort. Die Spedition berief sich auf die Rechtsprechung des BAG, nach der Reisezeit per Bahn keine Arbeitszeit sei. Damit sei sie auch nicht für die Bestimmung der Höchstarbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu berücksichtigen.

Nach Ansicht des VG Lüneburg müsse jedoch vorliegend von der gängigen Definition der Arbeitszeit durch das BAG abgewichen werden. Es zog stattdessen die europarechtliche Begriffsbestimmung heran. Danach sei allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme.

Dies sei hier der Fall, da die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn bereits Teil der Leistungserbringung sei. Die Dauer der Bahnreisezeit hänge auch allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden müsse. Dies werde ausschließlich durch den Arbeitgeber festgelegt, der Arbeitnehmer habe hierauf keinen Einfluss. Zudem werde die Freiheit der Mitarbeiter beschränkt, über ihre Zeit selbst zu bestimmen. Die Spedition müsse daher die Bahnreisezeiten bei der Bestimmung der Höchstarbeitszeiten berücksichtigen.

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