Kündigung

Kein Verfall von Urlaubsansprüchen bei Mutterschutz und Beschäftigungsverbot

10.09.2025 -

Aktuelle Meldung Arbeitsrecht

Arbeitnehmerinnen können beruhigt sein, ihr Urlaubsanspruch bleibt bestehen

Wenn schwangere Mitarbeiterinnen in den Mutterschutz gehen oder einem Beschäftigungsverbot unterliegen, stellt sich die Frage, was mit etwaigen Urlaubsansprüchen passiert.

Urlaubsansprüche entstehen durch fortwährende Betriebsangehörigkeit. Den vollen Anspruch auf den Jahresurlaub erwirbt eine Arbeitnehmerin erst nach mindestens 6-monatiger ununterbrochener Betriebsangehörigkeit, vgl. § 4 Bundesurlaubsgesetz. Bis dahin entsteht der Urlaubsanspruch gemäß § 5 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz für jeden vollen Monat der Betriebsangehörigkeit im Umfang von 1/12 des gesamten Jahresurlaubs.

Befindet sich eine Arbeitnehmerin in einem Beschäftigungsverbot aufgrund einer Schwangerschaft, sind die hierdurch entstehenden Ausfallzeiten gemäß § 24 S. 1 Mutterschutzgesetz bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mitzuberücksichtigen. Somit entstehen auch während eines Beschäftigungsverbotes neue Urlaubsansprüche.

Grundsätzlich ist Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur möglich, wenn dies durch dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist. In dem Fall muss der Urlaub in den ersten 3 Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Erfolgt dies nicht, verfällt der Urlaubsanspruch grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz.

Das Mutterschutzgesetz sieht in § 24 S. 2 allerdings eine Sonderregelung vor: Hiernach kann der Urlaub, der aufgrund eines Beschäftigungsverbotes nicht oder nicht vollständig genommen werden konnte, nach dem Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beansprucht werden.

An dieser Stelle kann die Besonderheit auftreten, dass sich eine Arbeitnehmerin aufgrund mehrerer Schwangerschaften fortwährenden einem Beschäftigungsverbot befindet und zu Beginn des ersten Beschäftigungsverbotes noch einen Resturlaubsanspruch hat. Aufgrund der gesetzlichen Regelung, dass die Zeit des Beschäftigungsverbotes bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs Berücksichtigung finden muss, erwirbt die Arbeitnehmerin fortwährend Urlaubsansprüche, ohne diese in Anspruch nehmen zu können.

Endet das Arbeitsverhältnis, bevor die Arbeitnehmerin ihren Urlaubsanspruch vollständig in Anspruch nehmen konnte, ist dieser gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abzugelten.

Über einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.08.2024 – 9 AZR 226/23 zu befinden.

In diesem befand sich eine angestellte Zahnärztin über mehrere Jahre bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses in einem Beschäftigungsverbot. Ausweislich des Arbeitsvertrages standen ihr 28 Urlaubstage pro Kalenderjahr zu. Zu Beginn des ersten Beschäftigungsverbotes hatte die Arbeitnehmerin einen Resturlaubsanspruch von fünf Tagen. In den darauffolgenden Jahren sammelte die Arbeitnehmerin insgesamt einen Urlaubsanspruch von 68 Tagen an.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte die Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitgeber den Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend. Als eine Zahlung nicht erfolgte, erhob die Arbeitnehmerin Zahlungsklage zum Arbeitsgericht.

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass der Arbeitnehmerin keinen Abgeltungsanspruch zusteht. Es sei nämlich kein Urlaubsanspruch während des Beschäftigungsverbotes entstanden. Darüber hinaus sei der Resturlaub im Umfang von fünf Tagen bereits verfallen. Auch einen zielte der Arbeitgeber mit § 24 Satz 2 im Mutterschutzgesetz. Dort heißt es wörtlich, dass nur solche Urlaubsansprüche nicht verfallen, die eine Frau vor Beginn eines Beschäftigungsverbotes nicht oder nicht vollständig erhalten habe.

Das Arbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung. Dieser legte daraufhin Berufung zum Landesarbeitsgericht ein, dass die Berufung als unbegründet zurückwies. Schließlich wandte sich der Arbeitgeber mit der Revision an das BAG.

Das BAG entschied, dass der Klägerin die geltend gemachte Urlaubsabgeltung im Umfang von 68 Urlaubstagen zusteht.

Zur Begründung bezog sich das BAG auf den Sinn und Zweck des § 24 S. 2 Mutterschutzgesetz. Dieser liege darin, den geschützten Frauen wie anderen Arbeitnehmern die Möglichkeit zu eröffnen, Urlaub nach einem Beschäftigungsverbot auf ein Kalenderjahr zu verteilen und nicht innerhalb eines an das Entstehungsjahr anknüpfenden Übertragungszeitraums nehmen zu müssen.

Auch ergäben sich Wertungswidersprüche, wenn ein Unterschied gemacht würde zwischen nahtlos aneinanderreihenden Beschäftigungsverboten und aufeinanderfolgenden Mutterschutzfristen und Elternzeiten. Auch hier gelte eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss.

Darüber hinaus sei es so, dass durch die fortwährenden Beschäftigungsverbote das Urlaubsjahr, in dem der Urlaub zu nehmen ist, fortwährend neu festgelegt wird. Das Urlaubsjahr verschiebe sich mit jedem unmittelbar anschließenden Beschäftigungsverbot nach hinten. Maßgeblich sei danach dasjenige Urlaubsjahr, das auf das letzte Beschäftigungsverbot folgt.

Arbeitnehmerinnen können also beruhigt sein. Auch während eines oder mehrerer Beschäftigungsverbote bleibt ihr Urlaubsanspruch bestehen und kann nicht verfallen. Bei mehreren Beschäftigungsverboten ist allerdings zu beachten, dass diese unmittelbar aneinander anschließen.

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