Über einen ungewöhnlichen Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) München mit Urteilen vom 16.04.2025 und vom 04.06.2025 – 11 Sa 456/23 zu entscheiden.
Geklagt hatte ein 24-jähriger Jurastudent, der seit 2018 in Teilzeit als Kellner bei einer GmbH angestellt war. Als er dort 2021 einen Betriebsrat begründen wollte und eine Wahlversammlung abhielt, erregte er den Unmut seiner Arbeitgeberin. Diese wollte keinen Betriebsrat in seinem Unternehmen.
So kam es bei der angesetzten Wahlversammlung zu Auseinandersetzungen, weil bei der Versammlung Personen anwesend waren, die entweder keine Mitarbeiter der Arbeitgeberin waren oder sonst keinen Grund zur Anwesenheit hatten. Es wurde insbesondere von Seiten der Arbeitgeberin versucht, auf die Wahl Einfluss zu nehmen. Im Ergebnis konnte keine Wahl durchgeführt werden.
Daraufhin wurde der Student nicht mehr zur Arbeit eingeteilt und auch keine Vergütung mehr gezahlt.
Als er daraufhin Annahmeverzugslohn geltend, teilte ihn die Arbeitgeberin zwar zur Arbeit ein, aber nicht mehr als Kellner, sondern in der Küche.
Diese Tätigkeit verweigerte der Student unter Hinweis auf die vereinbarte Tätigkeit als Kellner.
Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.
Hiergegen erhob der Student Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Neben der eigentlichen Kündigungsschutzklage machte er später weitere Ansprüche geltend, nämlich auf Annahmeverzugslohn, Urlaubsgewährung, Ersatz der Reinigungskosten für die Arbeitskleidung, Überstundenvergütung sowie entgangenes Trinkgeld.
In einem an das Gericht gesandten Schriftsatz führte die Arbeitgeberin aus, dass er den Kläger u. a. auch deswegen gekündigt habe, weil dieser „in Teilzeit und auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung beschäftigt“ gewesen sei. Darüber hinaus sei er „mit einem Alter von 24 Jahren noch jung und [habe] weder Kinder noch Unterhaltspflichten“.
Diese Begründung wollte der Student nicht auf sich sitzen lassen und erweiterte seine Kündigungsschutzklage um Schadensersatzansprüche auf Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Er sah sich ungleich behandelt, da sein Alter zur Begründung der Kündigung herangezogen wurde. Auch sah er eine Ungleichbehandlung aufgrund seiner Teilzeittätigkeit.
Da der Kläger in erster Instanz nur mit der Kündigungsschutzklage obsiegen konnte, erhob er Berufung zum LAG München.
Während des Berufungsverfahrens hatte die ursprüngliche Arbeitgeberin Insolvenz angemeldet. Im Zuge eines Betriebsübergangs ging das Arbeitsverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies wurde auf Antrag des Klägers gerichtlich festgestellt. Der Kläger erweiterte dementsprechend die Klage um den Rechtsnachfolger.
Daneben hatte der Kläger auch den Geschäftsführer seiner ehemaligen Arbeitgeberin persönlich verklagt.
Hier muss man wissen, dass Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich nicht persönlich für Forderungen gegen die Gesellschaft haften. Dies ist gerade Sinn und Zweck einer GmbH, die Geschäftsführer und Gesellschafter sollen vor persönlicher Haftung geschützt werden.
Eine Ausnahme gilt aber insbesondere dann, wenn ein Fall der sogenannten Durchgriffshaftung vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorliegt. Eine solche habe nach Auffassung des LAG München vorgelegen, da der Geschäftsführer in unerlaubter Art und Weise auf den Ablauf einer Wahlversammlung zum Betriebsrat einwirkt bzw. andere Mitarbeiter oder Personen zu diesem Zweck beauftragt und auch bezahlt habe. Daher haftet der Geschäftsführer persönlich.
Das LAG München entschied sodann, dass dem Kläger im Ergebnis Zahlungsansprüche in Höhe von rund 100.000,00 € zustehen.
Die angebliche Arbeitsverweigerung sei als Kündigungsgrund nur vorgeschoben gewesen. Tatsächlicher Grund seien die Bestrebungen des Klägers gewesen, einen Betriebsrat zu gründen. Dies habe die ursprüngliche Arbeitgeberin um jeden Preis verhindern wollen.
Dem Kläger stehe daher Annahmeverzugslohn unter Berücksichtigung des jeweils geltenden Mindestlohns zu.
Auch seien Überstunden abzugelten. Ferner war dem Kläger für jede Schicht ein sogenanntes Gläsergeld in Höhe von 2,00 € abgezogen worden unabhängig davon, ob tatsächlich Gläser zu Bruch gegangen waren. Eine solche Vereinbarung hielt das Landesarbeitsgericht für unwirksam.
Das LAG sprach dem Kläger ferner ein entgangenes Trinkgeld in Höhe von durchschnittlich 100,00 € pro Schicht zu.
Da das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden sei, stehe dem Kläger ein Urlaubsanspruch zu. Da sich seit 2021 Urlaubstage angesammelt hatten, verurteilte das LAG den Rechtsnachfolger und jetzigen Arbeitgeber des Klägers dazu, „den Kläger auf 29 zusammenhängende Wochen verteilt an 72 Tagen von der Arbeitspflicht zu befreien“.
In dieser Zeit erhält der Kläger weiter seine Vergütung, da es sich um bezahlten Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz handelt. Grund für diesen umfangreichen Anspruch auf Urlaub ist, dass die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers diesen nicht auf seinen Urlaubsanspruch hingewiesen hatte. Somit konnte der Anspruch weder verfallen noch verjähren.
Ungewöhnlich war die Entscheidung des LAG München insoweit, als dass die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers auch dazu verurteilt wurde, sich schriftlich aufgrund der Äußerungen im Schriftsatz zu entschuldigen.
Es bleibt festzuhalten, dass Arbeitgeber gut beraten sind, Bestrebungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Gründung eines Betriebsrats nicht im Wege zu stehen. Dies gilt insbesondere im Bereich des Gaststättengewerbes, das von Minijobs, Überstunden und fehlenden Arbeitnehmervertretungen geprägt ist.
Für Arbeitnehmer gilt, dass sie auch im Bereich prekärer Arbeitsverhältnisse nicht rechtlos gestellt sind. Wichtig ist, sich rechtzeitig rechtlichen Rat zu holen.