In der Regel werden Arbeitsverhältnisse mit einer Probezeit vereinbart. Diese beläuft sich meist auf 3 – 6 Monate. Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von 2 Wochen von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.
Die Probezeit dient damit vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen. Beide Vertragsparteien sollen abschätzen können, ob sie zueinander passen.
Neben der vertraglich vereinbarten Probezeit gibt es die sechsmonatige Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes. Das Kündigungsschutzgesetz findet erst ab einer unterbrochenen Betriebsangehörigkeit von 6 Monaten Anwendung. Somit besteht während der Probezeit kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.
Probe- und Wartezeit laufen häufig parallel, sind rechtlich aber voneinander zu trennen. Während die Probezeit nur die Kündigungsfrist verkürzt, betrifft die Wartezeit den Kündigungsschutz.
Der Arbeitgeber benötigt für eine sogenannte Probe- bzw. Wartezeitkündigung keinen Kündigungsgrund, er muss nur die Kündigungsfrist einhalten.
Der Arbeitnehmer hat also so gut wie keine Möglichkeit, sich gegen eine Probezeitkündigung zur Wehr zu setzen.
In einem durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 14. Januar 2025 – 3 SLa 317/24 entschiedenen Verfahren erwies sich eine Probezeitkündigung ausnahmsweise als unwirksam.
Im vorliegenden Fall war es so, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zunächst unter Vereinbarung einer Probezeit von 6 Monaten unbefristet eingestellt wurde. Der Dienstvorgesetzte des Arbeitnehmers war zugleich Prokurist und Führungskraft für Personalfragen in der Abteilung Recht/Compliance. Er hatte sowohl den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers unterschrieben als auch die Entscheidungsbefugnis über die weitere Beschäftigung nach Ablauf der Probezeit.
Kurz vor Ablauf der Probezeit fand ein Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten statt. Der Vorgesetzte teilte dem Arbeitnehmer mit, dass sich die Personalabteilung danach erkundigt habe, ob der Arbeitnehmer übernommen werden solle.
Daraufhin habe der Dienstvorgesetzte gegenüber dem Arbeitnehmer wörtlich gesagt: „Das tun wir natürlich“.
Im Nachgang entschied sich der Arbeitgeber gleichwohl dazu, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer noch in der Probe- und Wartezeit zu kündigen.
Die daraufhin erhobene Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war in zweiter Instanz erfolgreich.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist, weil sie gegen Treu und Glauben verstößt.
Hierzu muss man wissen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den Gerichten die Möglichkeit gibt, völlig ungerechte Ergebnisse zu korrigieren. Es geht vor allem um ungeschriebene Regeln des Rechtsverkehrs. So darf sich eine Vertragspartei nicht treuwidrig verhalten.
Zugleich ist gerade im Anwendungsbereich des Arbeitsrechts Zurückhaltung geboten. Grundsätzlich sind Kündigungen innerhalb der Probe- und Wartezeit wirksam. Die Probezeit dient gerade dazu, dass sich die Parteien ohne weitere Schwierigkeiten voneinander lösen können. Probezeitvereinbarungen sind vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Dasselbe gilt für die sechsmonatige Wartezeit.
Dieses gesetzlich gewollte Ergebnis darf nicht durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ins Gegenteil verkehrt werden.
Der vorliegende Fall ist einer der wenigen Fälle, in denen die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zur Rechtswidrigkeit der Probezeitkündigung führte.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat hier ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers angenommen. Der Arbeitgeber hatte hier ein derart starkes Vertrauen bei dem Arbeitnehmer geschaffen, dass eine im Nachgang erfolgte Probezeitkündigung sich als treuwidrig und damit unwirksam erwies.
Der Arbeitnehmer durfte hier darauf vertrauen, dass sein Arbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus fortgesetzt werden wird. Besonderes Vertrauen in die Äußerung seines Dienstvorgesetzten durfte hier deshalb bestehen, weil dieser zugleich Inhaber der Prokura und Führungskraft der Personalabteilung ist sowie den Arbeitsvertrag eigenhändig unterschrieben hatte.
Damit handelt es sich nicht um eine Äußerung irgendeiner Führungskraft, sondern gerade um die Äußerung derjenigen Führungskraft, die über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entscheidet. Dieses Verhalten wird dem Arbeitgeber zugerechnet.
Indem der Arbeitgeber sich im Nachgang des Gesprächs zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten sehr kurzfristig doch für eine Kündigung innerhalb der Probezeit entschied, setzte er sich in Widerspruch zu seinem vorherigen Verhalten. Widersprüchliches Verhalten stellt eine weitere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar.
Grundsätzlich ist widersprüchliches Verhalten zulässig. Der Arbeitgeber darf sich umentscheiden, nachdem er dem Arbeitnehmer zuvor eine Zusage für - erteilt hat. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zu Recht auf die Entfristung vertrauen durfte und sich der Arbeitgeber treuwidrig verhält, wenn er entgegen einer zuvor gegebenen Zusage eine Kündigung ausspricht.
Damit bleibt festzuhalten, dass Arbeitnehmer jedenfalls in besonderen Konstellationen wie dieser eine gute Chance haben, dass eine Kündigungsschutzklage trotz Probezeitkündigung erfolgreich sein kann.